Vor dem Start traf ich 2 Lauftreffkollegen, Harald, der normalerweise sehr schweigsam ist hatte wohl sehr viel Schiss und musste durch wasserfallähnliche Redeschwälle dagegen angehen, das war schon mal sehr erfrischend. Er verabschiedete sich dann in einen Startblock weiter hinten, da er die 4 Stunden angepeilt hatte.
Dirk hatte 3:30 im Visier, meinte, wir könnten ja zusammen den Lauf angehen, ich sagte, dass ich wohl angesichts der Hitze eher Richtung 3:40 loslaufen wollte, also war sofort klar, dass wir zusammen loslaufen, da er mich ja schon ein wenig kennt (3:40 ansagen, 3:20 laufen).
Das Starterfeld war übersichtlich, ca. 1000 Möchtegern-Marathonis setzten sich dann auch ohne Gerangel und Stau nach dem Startschuss in Bewegung. Dirk hatte ein gutes Tempogefühl, so liefen wir also von Anfang an konstant um 5 min/km. Alle 2,5 km gab es Getränke und ich trank von Anfang an bis zum Ende an jeder Station ca. 0,5 Liter, hab mir auch von Anfang an Gehpausen beim Trinken gegönnt. Hatte einfach jede Menge Schiss, ausgetrocknet an der Strecke zu verenden. Den ersten knackigen Berg nahmen wir recht locker, nach 10 km lagen wir bei ca. 52 Minuten. Dirk war ständig am rechnen, ich hatte mich schon zu diesem Zeitpunkt von allen Zielzeiten und Plänen verabschiedet. Es lief einfach locker und gut, Dirk zeigte schon leichte Schwächen. Ich fragte ihn, ob er noch im Wohlfühlbereich läuft, er meinte, es ginge ihm nicht gut. Hab dann zusammen mit ihm Tempo rausgenommen.
Irgendwann tauchte erstmals unser Lauftrefftrainer mit dem Fahrrad auf, klasse, er stand mindestens 10 mal an der Strecke und fotografierte fleissig, motivierte uns, warnte uns und gab mir ein gutes Gefühl.
Bei km 15 auf der Neckarbrücke erwartete mich eine Gruppe 0auf42er-Groupies, 500 Meter vorher begann ich auszuprobieren, ob der antrainierte „mir geht’s saugut, Marathon ist total easy“-Blick funktioniert. Er funktionierte. Ab auf die Brücke, lächeln, jubeln, war echt ne Riesenfreude, die Jungs und Mädels an der Strecke zu sehen. Hier bekam ich auch meinen ersten Powerdrink gereicht. Hab kurz auf Dirk gewartet und bin mit ihm bis ca. km 18 weitergelaufen, dann brach er ziemlich stark ein und ich zog allein weiter.
Ein weiterer Lauftreffkollege war mit dem Motorrad an der Strecke unterwegs und auch er stand 5 oder 6 mal am Rand, fotografierte und baute mich immer wieder auf. Er fragte immer mal wieder nach, wies mir geht und wie schnell ich unterwegs bin. Mir fiel auf, dass mir die Zeiten schon lange wirklich egal waren, hab natürlich immer mal hochgerechnet und konnte zuschauen, wie sich die Zielzeit von 3:30 über 3:40 Richtung 3:50 entwickelte. Immer wieder erinnerte er mich an seinen Einbruch vor einer Woche in Wien und beneidete mich um die Freude, die ich ihm während des Laufs rüberbrachte. Für ihn war Wien ein Frusterlebnis, das half mir ungemein.
Längst hatte sich der Spass in den Vordergrund gedrängt. Zuschauer anheizen, auch mal 10 Sekunden eine der vielen kalten Duschen geniessen, 2 Minuten an Verpflegungsstellen verweilen…
Bei km 26 kam die Schlüsselstelle, ein ca. 1,5 km langer Berg mit ca. 10% Steigung, paar km vorher hatte ich mir die erste Powerbar-Gel-Kacke in meinem Leben reingepfiffen. Ich weiss, bei nem Marathon macht man keine Experimente, aber ich dachte, lieber drehts mir den Magen um als dass die Beine irgendwann sagen, nichts geht mehr, Schluss aus, lauf Du mal ohne uns weiter. Der Berg war klasse, die meisten Läufer wurden zu Walkern, ich joggte langsam hoch, wusste ich doch, dass Günter, der Lauftrefftrainer garantiert an diesem Berg stehen würde um einmal einen schwächelnden leidenden Holle zu sehen. Nix da, nicht mit mir. Den Berg bin ich am Vortag noch mit dem Rad runtergefahren, da kam er mir länger vor. Günter stand am Rand, meinte, Du läufst ja immer noch und siehst verdammt frisch aus, das lief runter wie Öl und ich fühlte mich noch gut, frisch wär dann doch leicht übertrieben. Ich fragte ihn, wie lang der Berg noch sei, er sagte, da vorn, nach 50 Metern siehst Du die Burg, dann geht’s noch 100 Meter recht flach hoch und dann geht’s erst mal bergab.
Ein letztes Dörfchen mit vielen Zuschauern, dann gings in einsame Weinberge, das Feld war weit auseinandergezogen, hier gings mir zum ersten Mal nicht so gut. Das änderte sich, als immer mehr Läufer walkten, rumstanden, sich Krämpfe rausdehnten. Sorry, das gab den nächsten Schub, kurzer Hänger vorbei, alles Kopfsache, so schlecht gings mir doch gar nicht.
Irgendwann kam mir Klemi, ein Freund, bei dem ich übernachtet hatte mit dem Fahrrad entgegen. Er begleitete mich ca. 2 km weit, allerdings hätte ich ihn umbringen können. Ist ja echt ein lieber Kerl, aber er kann schon unglaublich nerven. Als erstes erzählt er mir, dass die 2 Kenianer schon frisch geduscht sind, wirklich motivierend. Dann irgendwas von nem Beachvolleyballturnier, wo wir eigentlich im Moment mitspielen könnten, jaja, würde mir auch besser gefallen. Dann von seinen 5000-Meter-Siegen aus der späten Jugend, gut, hab ich ja erst ca. 591 mal gehört, die Stories, und wenn ich mal zum Zuhören verdammt bin und nicht abhauen kann, dann MUSS man das ja mal erzählen. Hey Du *********, ICH lauf grad MARATHON, ich bin ein Held (bisher jedenfalls noch), würdige das gefälligst, bau mich auf, sag mir, dass die restlichen 12 km schon noch irgendwie vorbeigehen oder gib mir Dein Fahrrad. Er drehte dann ab und ich war froh, meine Ruhe zu haben. Beachvolleyball, es gibt wenig, was ich in dieser Phase nicht lieber gemacht hätte als laufen. Bei 30 °C in ner Pommesbude am Grill stehen wär sicher die Wahnsinnserfrischung. Oder vielleicht Fahrradkurier in der Sahara, da könnte man es ab und zu mal ne Düne runterrollen lassen …
Mitten in diese „okay, Marathon, schön und gut, einmal reicht, den Rest meines Läuferlebens begnüge ich mich mit wunderbaren Halbmarathons und 10ern“-Phae hinein tauchte Uwe, ein treuer 0auf42er an der Strecke auf. Er radelte neben mir her, reichte mir den zweiten Powerdrink und lenkte mich ganz klasse ab. Wir beschlossen, dass er Richtung Ziel mitradelt und ich ihn dann mitsamt Fahrrad mit in die Heimat nehmen kann. Es kamen recht ätzende Streckenabschnitte, die Kilometerschilder liessen recht lang auf sich warten. Immerhin machten wir nun zusammen Stimmung, feuerten die Zuschauer an, uns anzufeuern. Es klappte richtig gut. Meine Laune war noch prächtig, ich sagte zu Uwe, dass ich gern auch langsamer lauf wenn er nimmer kann. Leider konnte er noch, ein letzter Berg, hoch gings gut, runter immer schlechter, die Hüfte schmerzte, das kannte ich bisher noch nicht.
Ca. 4 km vor dem Ziel trafen sich die die Strecken der Halbmarathonis und der Marathonis. Die Halbmarathonis waren 1einhalb Stunden nach mir gestartet, was bedeutet, dass die nun doch deutlich langsamer unterwegs waren. Meine Zielzeit hatte sich inzwischen ja Richtung 4 Stunden entwickelt, d.h., die Halbmarathonis lagen dort so ungefähr auf Kurs 2:20 bis 2:30.
Der nächste Schub, kontinuierliches Vorbeiziehen an stöhnenden Halbmarathon-Weicheiern, sorry, aber irgendwie muss man sich ja noch mal motivieren. Vorne erspähten wir einen 0auf42er, es dauerte ewig, bis ich ihn eingeholt hatte, wollte aber wissen, wer das ist, und siehe da, ein zumindest vom Namen her bekannte Fori. Kurzer Smalltalk, noch ca. 2 km.
Es wurde noch mal richtig hart, 1 km vor dem Ziel eine letzte Getränkestation, noch ein mal einen Becher Wasser schnappen, kurz gehen, Blick auf die Uhr, ha, ich kann den letzten Kilometer spazieren und bleib unter 4 Stunden, klasse. Neenee, so nicht, Du Memme. Nochmal antraben und schon wurde es kurzweilig. Über die Brücke, auf die Gerade vor dem Stadion, wo ne Menge Zuschauer standen, die letzte Schwächephase war wie weggeblasen, es hat einfach nur noch Spass gemacht, scharfe Linkskurve, rein ins Stadion, noch ca. 100 Meter auf der Tartanbahn. Die grosse Jubelorgie. Ein Holle-Schrei, Frett Feuerstein und seine Holde, klasse! 100 Meter Gefühlsausbruch. Die Zielmatte… Pieps, nächste Matte…. Pieps… Geschafft. Die grosse Leere. 200 Meter Tartanbahn bis zu den kalten Freiluftduschen, danach der Getränkestand. Grinsen im Gesicht, Durst, Schwere.
Ab auf den Fussball-Rasen in der Mitte, fallen lassen. Krämpfe, egal, ich hab Zeit, die gehen schon mal irgendwann weg. Im 5-Minutentakt versuchte ich, aufzustehen, um in den Schatten zu gehen, keine Chance, bei jedem Versuch ein Krampf. Nach ner halben Stunde hats dann geklappt, hab Uwe wieder getroffen, von Minute zu Minute gings mir besser. Keine Krämpfe mehr, nur minimale Probleme beim Treppensteigen, klasse.
Körperlich geht’s mir nun, Stunden später unwahrscheinlich gut, im Kopf eine gewisse Leere und Zufriedenheit. Natürlich alle möglichen Analysen ohne Ergebnis.
Es war wunderschön, es war verdammt hart. War es so hart, wie ich es mir vorgestellt hab? Wollte ich mich heute nicht richtig quälen? Hab ich mich total gequält und weiss es nicht? Keine Ahnung, ********gal. Es war schöner als ich es mir vorher vorgestellt hatte, vorher kreisten die Gedanken eh nur darum, Einbruch oder nicht, Schmerzen oder schlimme Schmerzen, 3:30 oder 3:40 usw.
Kurz die schnöden Daten: 03:53:49, erste Hälfte in ca. 01:49, zweite Hälfte in ca. 02:04, Platz 142 von 681 Finishern bei ca. 1000 Startern wenn’s stimmt, AK 35 von 141, da brech ich nun mal nicht in Jubel aus bin aber auch nicht das kleinste bisschen enttäuscht, im Gegenteil, ich bin froh, gesund und munter durchgekommen zu sein!
Danke allen Groupies, ihr habt mir eine Riesenfreude bereitet und den Tag sicher noch unvergesslicher gemacht als er ohnehin schon ist!
Ich freu mich auf die nächsten Tage, da wird ne Menge hochkommen.
Das waren die ersten Gedanken zu einem der intensivsten Tage meines Lebens, kurz und wirr niedergeschrieben, danke fürs Lesen.
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