Wir habens hinter uns, Schwimmerin Ines, Läufer Udo und ich. 3 Helden, die die Welt nicht braucht

Roth ist eine Reise wert, es war von Freitag mittag bis heute nachmittag ein Wahnsinnserlebnis. Wir nannten uns „uns war grad langweilig“, was aber dort keine einzige Sekunde so war. Theoretisch hatten wir ja eine Menge Zeit für alles Mögliche, ich wollte mal im Rothsee baden gehen oder Samstag ein Mittagsschläfchen halten, nix, ständig war irgendwas zu tun oder wir sassen bei Kaffee und Kuchen oder Sauerbraten und so Zeug mit wasweissichwemalles zusammen.

Die Geschichte fing ja schon mal sagenhaft an, Ines kam fast pünktlich in Heuberg auf der Zeltwiese an, so dass wir schnell nach Roth radeln und die komplette 2. Halbzeit und den superspannenden Rest des Spiels Deutschland-Argentinien im Stadion auf einer Grossleinwand anschauen konnten.

Danach trafen wir Udo, holten die Startunterlagen, gingen zur Pastaparty. Da gabs alles: Pasta, Fleischkäse, Kartoffelsalat, Kuchen, Salate, Cola, Bier, Wasser, Kaffee …

Als wir satt waren wars dunkel, so brauchten wir für den Heimweg mit dem Rad ohne Licht eineinhalb Stunden, anstatt Hauptstrasse knappe 10 km zu fahren irrten wir 20 km durch den Wald.

Egal, auch nachts gegen 1 Uhr sassen beim Gasthof an der Zeltwiese noch jede Menge aufgeregte Triathleten, irgendwann gings dann auch in den Schlafsack.

Samstag 10 Uhr Frühstück, letzte Ausrüstung auf der Triathlonmesse gekauft, bisschen das Fahrrad kaputtoptimiert, wieder in den Ursprungszustand versetzt, dann Fahrrad-CheckIn. Für die Rennbesprechung um 18 Uhr wars dann schon zu spät.

Haben wir halt alles unter uns besprochen und erfahrene Triathleten nach wichtigen Regeln und wissenswerten Sachen gefragt. 0 Uhr in die Falle, 5 Uhr klingelte der Wecker.

Duschen, Frühstück, Eliteschwimmstart anschauen, Gänsehaut, es war die Hölle los morgens um 6 Uhr, einfach ein Riesenevent, nach und nach gingen die verschiedenen Startgruppen auf die Schwimmstrecke.

Nachdem die Top-Schwimmer aus dem Wasser sind nochmal zum Zeltplatz, abkacken, Hintern einfetten, letzte wichtige Sachen eingepackt, das mitgebrachte Groupiefahrrad an einem markanten Punkt abgestellt und zur Wechselzone gelaufen.

Ines ging ins Rennen, ich hatte noch mindestens 1 Stunde Zeit. Lieblingsgroupie rief an, wo sie das Fahrrad findet, schnell gefunden und schon stand sie am Start, hab mich erst mal tierisch gefreut, dass die 3 Lauftreffler noch rechtzeitig zum Start da waren.

Bin dann in die Wechselzone zurück, noch 30 bis 40 Minuten. Pengpffffffffffff… 3 Räder neben meinem ein geplatzter Reifen, einfach so bei einem stehenden Rad. Nummer des Rads ausgerufen, der Kollege kam angerannt, hat schnell den Schlauch gewechselt.

Alle ca. 2 Minuten hab ich kontrolliert, ob in meinen Reifen noch Luft ist, was sollte ich auch sonst tun.

Warten …. nach 1:30 kam Ines angerannt, kurz gratuliert, Transponder vom Bein gerissen, festgemacht und schiebend bis zur Zeitnahmematte.

Jetzt gings also los. Ist schon unglaublich, mit wieviel Aufwand die Strassen abgesperrt sind, wieviele Gitter, Bänder, weisse Pfosten da rumstehen und wieviele Zuschauer von Anfang an an der Strecke stehen. Ich war sofort drin im Rennen. Gänsehaut, Tempo, Schweiss. Da 1:30 als Schwimmzeit nicht gerade top ist aber nicht weit vom Mittelfeld weg war das ideal für mich, von hinten konnten nicht viele kommen und vor mir fuhren jede Menge Opfer.

So ging das kontinuierliche Einsammeln vor mir radelnder Staffelstarter also los. Wie befürchtet war ich auf der Ebene Mittelmass bis schlecht, bergauf phantastisch. Nach ca. 20 km zwickten schon die Waden. Bisschen sehr sehr sehr früh. In der Aeroposition konnte ich erst mal gar nicht fahren, da zwickte nämlich alles. Nach dem ersten nennenswerten Berg, den ich ohne Rücksicht auf Verluste hoch bin gings langsam besser, nach ca. 60 km war ich eingerollt, der Schnitt lag bei ca. 31 km/h. Der Wind blies aus einer ungewöhnlichen Richtung für diese Gegend, anders als vor 5 Wochen, als ich die Strecke mal getestet hab. In der ersten Runde war er aber noch erträglich. Der lange Berg in Greding war klasse, nach ca. 70 km kam er dann, der legendäre Solarer Berg.

Es ist wirklich unglaublich, was dort geboten ist. die Zuschauer lassen eine enge Gasse frei wie bei den Bergwertungen der Tour de Dope. Gedopt war ich natürlich auch, mit Gels, Riegeln und was weiss ich, was mir die spanischen Helfer an den Verpflegungsstellen sonst noch so in die Trinkflaschen gefüllt hatten.

Nach der ersten Runde zeigte der Tacho einen Schnitt von bisschen über 31 km/h an und ich fühlte mich sehr gut, rechnete mit einer schnelleren zweiten Runde.

Es lief ordentlich weiter, irgendwann schmerzten die Fussohlen fürchterlich, was mich aber nicht weiter behindert hat. Irgendwann schmerzte noch verschiedenes mehr, weiss nimmer, lauter Zipperlein, die kommen, wenn man 6 Stunden Höchstleistung versucht.

Auf dem ca. 15 km langen langweiligen recht flachen Teilstück bis Greding blies der Wind nun heftig entgegen, der Schnitt sank auf 30 km/h, meine Moral war im Eimer. Dann kam wieder der Gredinger Berg, hab die Jungs, die mich während der Schwächephase geschnappt haben wieder überholt, der Schnitt lag nun unter 30, nun kamen aber eher schnelle Teilstücke.

Langsam wurde ich recht leer, allerdings deutete nichts auf Krämpfe hin, es zog sich aber alles unendlich lang hin. Der Schnitt lag irgendwann wieder über 30 km/h (mein vorher angedachtes Minimalziel). Nun irritierten mich aber auf einmal die km-Schilder, die alle 10 km standen. Bei km 140 hatte ich für 40 km nur noch 1:10 Zeit, um unter 6 Stunden zu bleiben. Sollte mein Tacho nicht stimmen? Ich war vorher sicher, dass er eher einen Tick zu wenig anzeigt, sicher ist sicher.

Bei km 150 das gleiche Spiel, 6 Stunden unerreichbar. Gut, dass da irgendwann nochmal der Solarer Berg kam, ein letztes mal gabs den absoluten Gute-Laune-Kick, der mir nun auch nicht mehr zu nehmen war. Ich dachte mir auch, scheiss auf die 6 Stunden, fahr das Rennen am Limit und mit Spass, mit einem Lachen im Gesicht zu Ende.

Irgendwann war ich wieder auf der Brücke beim Schwimmstart, nur noch rüber nach Roth, geschätzte knappe 10 km und noch über 20 Minuten Zeit. Sicher war ich mir bei der Schätzung zwar nicht, egal, weiter.

Die Strecke nach Roth rein hab ich noch mal alles gegeben, kannte ich ja von Freitag und Samstag, es ging über eine Kuppe und schon sah ich die Wechselzone, ich lag noch deutlich unter 6 Stunden.

Auf den letzten hundert Metern bevors rechts ums Eck in die Wechselzone ging liefen mir die Tränen, erst zaghaft, dann in Strömen, es war der Wahnsinn, es war geschafft und meine 3 Lauftreffler standen zum 5. mal jubelnd an der Strecke.

An der Zeitnahmematte stand dann ein Helfer vor mir, hielt mein Rad fest, ich sagte, ah, muss ich jetzt schieben? Er meinte, nein, laufen, ich behalte das Rad. Es war ja eigentlich alles klar, aber ich hab in dem Moment nichts mehr geblickt, rechts hinter einem Zaun stand Ines und die Frau von Udo und schrien, ich schrie Udoooooooooo. Andere schrien, guck auf die Nummern. Welche Nummern? Da oben…. Aha, was bedeuten die? Da findest Du Deinen Läufer… Udoooooooooooooooooooooooo! Ich wusste weder meine Startnummer noch konnte ich die Nummern, die an Pavillions hängen damit in Verrbindung bringen. Ein freundlicher Läufer, der klar erkannt hatte, dass Denken in diesem Moment nicht meine Disziplin war sagte dann, Du hast die 3495, lauf einfach ca. 100 m in diese Richtung und schrei ständig Udo, der müsste ganz weit hinten sein. Das war eine Ansage, die ich kapiert hab. Laufen war aber auch die Hölle, die brennenden, stechenden Fusssohlen…. naja, besser als denken… Udo hat sich gefreut, dass ich endlich da war und ging auf die Strecke.

Ich hab erst mal gegessen, getrunken, gegessen, getrunken, gegessen, getrunken und dann die Schuhe ausgezogen und mich hingelegt und bin eingepennt.

1 Stunde nach meiner Zieleinfahrt bin ich aufgewacht, hab den Kleiderbeutel geholt, gegessen, getrunken, gegessen, getrunken, es war alles sooooo lecker, belegte Brötchen mit Wurst und Gurke oder Käse, toller fetter pampiger Quarkkuchen, Cola ohne Ende, dann Cola mit Ende, also bin ich umgestiegen auf Tee und Wasser und Isopampe.

Es ging mir schon wieder saugut. Bin dann die MArathonstrecke entlanggegangen in der Hoffnung, Udo irgendwo zu sehen. Nach ca. 2 km war eine Verpflegungsstation. Ich ging hinter dem Absperrband vorbei, ein Helfer hielt den Läufern (die 40 km hinter sich hatten) Schwämme hin. Er sah mich und sagte, hey, Du siehst absolut fertig aus, Du kannst einen Schwamm gebrauchen. Nettes Kompliment, hab den Schwamm gern genommen. 10 Schritte weiter schrie ein Mädel den Läufern entgegen „Cola“, keiner wollte was, ich rief „hier“. Sie meinte, Dir darf ich keins geben, bekommen nur die Läufer. Hab versucht, meinen Charme spielen zu lassen, scheint nicht weit her damit zu sein, keine Chance. Also zurück zu dem netten „Du siehst fertig aus“-Typ. Hey, sag Deiner Kollegin mal, dass ich ein Cola brauch. Er, alles klar, willste sonst noch was? Ja, ein Cola und ein Wasser und ne Banane, oder, sagen wir, 2 Cola… Ruckzuck kam er mit 3 Bechern und Banane an, wirklich nett

Nach ca. 4 km rief ich Tina, die Frau von Udo an, sie meinte, er sei schon lang bei km 21 durch, es macht keinen Sinn, dass ich weitergehe. Also bin ich zurück. Der nette Typ war nimmer am Verpflegungsstand …

Hab mich im Zielbereich nochmal hingelegt bis Ines auftauchte, wir gingen zum Einstiegspunkt ca. 500 Meter vor dem Ziel, recht schnell war dann Udo zu sehen und wir liefen gemeinsam ins Ziel …

Gefeiert, Finishershirt, Medaille usw. abgeholt, Finisher bejubelt, Leute getroffen… Irgendwann war die Finisher-Party mit einem sensationellen Feuerwerk und Live-Musik… Alles der absolute Wahnsinn.

Dann ab zum Zeltplatz, im Gasthof weitergefeiert.

Heute hab ich dann mein RAd in der Wechselzone abgeholt, meinen Kram eingepackt und bin noch 2 Stunden an den Rothsee gegangen, bisschen geschwommen und ab nach Hause. Durch diverse Staus konnte ich gleich zum Lauftreff um 18 Uhr durchfahren, schnell erste Eindrücke geschildert, ein Stündchen locker getrabt und heim.

Wems zu lang war hat Pech gehabt, ich hätte sicher auch 5 mal so viel schreiben können. 6 Stunden Radfahren, da kommen noch viel mehr Eindrücke zusammen als bei nem Marathon. Und das reine Radfahren war nur ein kleiner Teil des Riesenwochenendes.

Habe fertig.