Anspruchsvolles MTB-Rennen in einer meiner Lieblings-Gegendenden … Grindelwald.

Melde mich zurück, um eine Erfahrung reicher. Letzter Platz, rote Laterne, ein tierisch harter Höllenritt, dennoch ein Riesenspass.

Kurz der Reihe nach…

Sonntag Morgen 4 Uhr, klingelnder Wecker, auf zum Frühstück. 7 Uhr Start der Irren, die die 88 km und 3900 Höhenmeter in Angriff nahmen. Guter Dinge hinten eingereiht und los. „Lockeres Einrollen“ auf super fahrbarer Asphaltstrasse von Grindelwald auf die grosse Scheidegg, 1000 Höhenmeter ruckzuck erledigt, geschätzte 20 bis 50 Radler hinter mir, alles im grünen Bereich.

Dann ein leicht fahrbarer Schotterweg, auf und ab, durch etliche Bäche, wahrer Genuss. Erste supersteile Rampen und technisch schwierige Abschnitte, die Spitze der 45 Minuten nach mir gestarteten 55 km Fahrer kamen vorbeigeflogen, unglaublich wie die fahren, würde ich das versuchen läge ich jetzt im Krankenhaus oder auf irgendeinem Friedhof, irre!!!

Nach einer Weile gings auf eine Schleife, die nur die 88 km Fahrer fahren müssen. Super, nach einem zähen Anstieg ein Schild … „Uphill, 2 km, 400 Höhenmeter“. Erste Probleme mit der Schaltung, das grosse Ritzel hinten nicht mehr fahrbar. Egal, ist eh so steil dass ich auch im ersten Gang das Meiste hätte schieben müssen. Oben angekommen müssen die 500 Höhenmeter der Extraschleife wieder vernichtet werden, leider meist schiebend weil die Strecke für die Allermeisten durch den Regen am Vortag nicht fahrbar war.

Dann gings gemeinsam mit den 55 km Fahrern wieder weiter. Es war recht viel los auf der Strecke, alles irre anstrengend, hoch wie runter, inzwischen gingen die 4 grössten Ritzel nimmer, erster Versuch, provisorisch was zu reparieren, leider nur mit mässigem Erfolg, nächster Reparaturservicepoint 500 Höhenmeter weiter. Komplett schieben? Aufgeben? Noch ein Reparaturversuch. Problem erkannt, Problem gelöst. Provisorisch konnte ich nun hinten die 4 grössten Ritzel halbwegs schalten, schwere Gänge waren eh nicht nötig.

Immer noch war enorm viel los, ich dachte, es wären auch noch etliche 88 km Fahrer um mich rum, wie man sich doch täuschen kann, die waren nun alle schon vor mir.

13:15 Uhr war Kontrollschluss am Abzweig zur kleinen Scheidegg, wer bis dahin nicht durch ist wird aus dem Rennen genommen und darf dann noch die restlichen 2 km der kurzen Runde ins Ziel fahren. Das wären dann incl. der Zusatzschleife ca. 60 km und knapp 3000 Höhenmeter gewesen, sicherlich eine Leistung, auf die man stolz sein kann. 13 Uhr rückte näher, ich realisierte, dass es knapp werden würde. Ich hatte keine Lust mehr, mental war das Rennen bisher einfach brutal. Den Beinen ging es noch relativ gut, keine Anzeichen von Krämpfen, Rücken, Arme, Oberkörper schmerzten, an den Füssen hatte ich blasen, ständig kam Dreck und Steine in die Schuhe, bei der vielen Schieberei scheuerte das gewaltig.

13:07 Uhr war ich am Abzweig, fragte die Streckenposten, ob ich noch hoch darf. „Klar, bist noch locker im Limit, gehts Dir gut?“. Ja, mir gehts soweit gut, hab nur keinen Bock mehr. „Dann lass es, das wird noch richtig hart“ Okay, alles klar, ich muss da hoch! Holle oder Memme? (ich wär ziemlich sicher nach kürzester Zeit im Ziel sehr sehr unzufrieden gewesen, hätte ich abgebrochen).

Nochmal 1000 Höhenmeter am Stück auf ca. 7 km, rechnen kann ich, macht knapp 15% im Schnitt, am Anfang bisschen Asphalt, dann Schotter, dann Wiese, Dreck und Schlamm, bloss nicht so viel schieben, die offenen Wunden an den Füssen brannten fürchterlich.

NAch ca. 20 Minuten kam von hinten ein Quad angeknattert, fuhr neben mich hin, ich sah einen Besen, der Hinten dran gebunden war. Aha, der Besenwagen Ist keiner mehr hinter mir in die Runde gegangen? „Nein, bist das Schlusslicht“. Nach kürzester Zeit hab ich mich mit der neuen Situation angefreundet. Gut, werde ich halt Letzter, warum eigentlich nicht, tut sicher auch nicht mehr weh als alles, was eh schon wehtut.

Der Besenwagen sammelte hinter mir den Müll auf, nahm die Markierungsfähnchen, Schilder, Absperrbänder mit und fuhr immer wieder mal zu mir vor, plauderte mit mir, das war richtig kurzweilig, mir gings recht gut. Auf dem langen Anstieg gab es noch 3 oder 4 Verpflegungsstellen, ich fragte, ob noch ein paar Radler vor mir in Reichweite sind oder ob ich das Ding ganz entspannt zuende bringen kann. Es waren wohl noch ein paar kleine Grüppchen und einzelne Fahrer 10 bis 30 Minuten vor mir, gut, in Sichtweite wollte ich kommen, den letzten Platz sollte mir aber bitte keiner mehr streitig machen. Der Besenwagenfahrer hat per Funk meine Startnummer durchgegeben, später erzählte mir Sigi, die die 55 km gefahren ist… !!!!! DIE HELDIN, herzlichen Glückwunsch !!!!! …sie erzählte mir, dass sie nach Ihrer Zieleinfahrt immer auf dem Laufenden war, der Sprecher im Ziel sagte, dass das Schlusslicht, der Fahrer mit der Startnummer 2126, Holger Wiegleb, gut gelaunt im Anstieg zur kleinen Scheidegg ist, immer wieder wurde durchgegeben, wenn ich an markanten Punkten durch war, fand ich im Nachhinein schon richtig nett, solch eine Aufmerksamkeit bekommt man nur ganz vorne oder ganz hinten.

Am Ende des Anstiegs hatte ich das letzte Vierergrüppchen eingeholt. Die waren total nett, meinten, auf, komm mit, wir ziehen das jetzt zusammen durch. Ich gab gleich mal meinen Anspruch auf die rote Laterne bekannt, fuhr mit den vieren bis zur Passhöhe, sagte denen, dass sie in der langen Abfahrt nicht auf mich warten sollen, falls sie besser abfahren könne, wovon ich ausging.

Die waren dann auch schnell verschwunden, war aber gar nicht soooo schlecht, die haben mir auf 50 Minuten technisch anspruchsvoller Abfahrt gerade mal 2 bis 3 Minuten abgenommen, waren also sicher auch nicht gerade die Downhill-Helden.

Inzwischen hatte ich 4 Besen-Quads hinter mir, die vereinzelt Streckenposten aufsammelten. Den letzten Kilometer gings in Grindelwald nochmal ca. 100 Höhenmeter hoch, am Ende nochmal mit über 15% Steigung, das war herrlich, ich war mal wieder angekündigt worden, der Sprecher hat das Publikum angeheizt, mir einen herzlichen Empfang zu bereiten, so standen auf den letzten steilen 200 Metern etliche Zuschauer Spalier und im Ziel wurde ich mit viel Applaus empfangen, direkt hinter mir die 4 hupenden Quads. Riesig gefreut hab ich mich, dass Sigi dort stand, dass sie da war, dass sie scheinbar auch ihre 55 km hinter sich gebracht hatte, dass sie noch lachen konnte, unterwegs musste ich öfter an sie denken, ob sie wohl nur am Fluchen war, ob sie ihr Rad irgendwo wütend den Abhang runtergeschmissen hatte. Ich war überglücklich, als ich die Zeitnahmematte überfuhr und die Tortur hinter mir hatte. Achja, auf der langen Abfahrt hatte ich die Uhr im Blick, liebäugelte mit unter 9 Stunden, ist ja eigentlich total egal, dennoch war das so ein kleines Meilensteinchen, im Ziel war ich dann auch tatsächlich nach 8:58:xx

Ich war genauso stolz, glücklich, abgehoben wie bei anderen Geschichten, wo ich halbwegs vorne oder im Mittelfeld oder sonstwo landete. Mir kamen die Tränen, ich war total aufgewühlt.

Es war eine der härtesten Geschichten, die ich bisher erlebt hab, unterschätzt hatte ich es nicht, ich hab die Tage vorher schon verstärkt das Gefühl gehabt, die Sache könnte eine Nummer zu gross für mich sein. War sie vielleicht auch, bin halt doch eher der Läufer, auf dem Mountainbike für solche Supercrackgeschichten technisch einfach um Welten zu schlecht.

Hätte würde wäre wenn hab ich mir schnell abgeschminkt, hätte ich den Defekt nicht gehabt, hätte ich 20 oder 30 oder 40 Minuten gespart und wäre 10 oder 15 Plätze weiter vorn gelandet, wen interessierts? Eben Nicht mal mich!

Jungs und Mädels, ich bin sehr sehr stolz, das Ding gefinished zu haben!

Habe fertig.