Prolog

Donnerstag.

Döner in Salzburg. Der Auftakt meiner Slowenien-Tour.

Nach dem Döner ging es weiter mit der Bahn nach Bruck an der Glocknerstrasse. Die Strasse ist seit 3 Tagen für Radfahrer gesperrt. Ich wollte heute Abend an der geschlossenen Mautstelle vorbei die ersten 700 Höhenmeter abknabbern und mich mit dem Zelt in die Pampa schlagen.

Hab mal wieder umdisponiert, ich bin extrem müde, hab eine kurze Nacht hinter mir, ziemlich viel war noch zu erledigen. An solchen Tagen hasse ich es, so ein Aufdenletztendrücker-Typ zu sein.

Selbst die Radfahrt zum Stuttgarter Bahnhof war knapp. Zug erwischt, ab da war der Schalter umgelegt. Entspannung 💕

Jetzt sitz ich hier am Fuß der Passstraße und werde morgen versuchen, offiziell hochzufahren. Hoffentlich bei guter Sicht.

Erst mal was essen, dann ausschlafen und dann schauen wir mal. Die Campingplatzweicheivariante hat was!

Die Berge sind schon mal in Sicht, dazu seh ich Schnee. Ein guter Start ist das 😊


Tag 1

Ausschlafen, kleines Frühstück, zusammenpacken, checken, ob die Großglocknerstraße für Radfahrer offen ist. Geschlossen. Drauf geschissen.

Dass es bis zur Mautstelle in Ferleiten schon ordentlich hoch geht hatte ich verdrängt. Die Fahrradspur war akribisch abgesperrt. Ich bin nicht der erste Mensch, der versucht dran vorbeizukommen. Hab das Rad über die Sperre gehoben und wurde prompt zurückgepfiffen.

Keine Gnade, alles zu meiner Sicherheit. „Wird heute auch nimmer geöffnet, oben ist starker Wind und richtig Winter, da bläst es ständig Schnee auf die Straße.“.

Erst mal ein zweites Frühstück. Frustfrühstück. Plan B über Bad Gastein und mit der Bahn durch den Tunnel gefiel mir nicht besonders. Hab mich aber damit abgefunden.

2 Herzen … Herz Sicherheit und Herz Abenteuer. Normalerweise gewinnt IMMER Herz Abenteuer. So einfach kommt man aber nicht an der Mautstelle vorbei.

Herz S: „Plan B! Wenn Du nochmal versuchst, Dich an der Mautstelle vorbeizumogeln gibt es richtig Ärger“
Herz A: „Da hast Du recht.“
Herz S: „Außerdem ist oben alles dicht, null Sicht, Du fährst durch die Wolken, es wird eklig.“
Herz A: „ja, Plan B macht Sinn“ …

Hab die Ersatzstrecke geplant, Frühstück bezahlt und mich aufs Rad gesetzt. Immer noch tobten Gedanken im Hirn. Herz A hatte noch nicht aufgegeben. DANKE ❤️ Nochmal geschaut, ob es nicht doch ein Schlupfloch gibt. Oha … ein Stückchen einen Weg unterhalb der Straße entlang und dann über einen Zaun, eine Wiese hochschieben, über noch einen Zaun und schon bin ich 200 Meter hinter der Mautstelle auf der Straße, da hör ich kein Zurückgepfeife mehr.

Gedacht – getan. Geil. Nach ca. einer Stunde überholten mich Motorradfahrer. Hey, für die war auch gesperrt. Check der Webseite. Jetzt auch offen für Fahrräder und Motorräder. Wahnsinn. Alles richtig gemacht.

Ich wäre mit gutem Grund traurig gewesen. Es war soooooooooo klasse. Ich war so scharf auf das erste Highlight. Ich hatte so schöne Vorstellungen, dass leichte Enttäuschung fast schon vorprogrammiert war, weil es doch nicht so genial werden könnte 💕

Es war so wie ich es mir erträumt hatte. Klar, zwischendurch tobte ekelhaft kalter Wind, es war auch mal neblig, es war aber auch so viel Sonne, Schnee, phantastische Blicke und mentales auf und ab dabei, genau diese Mischung machts.

Ich hatte heute nach ca. 1000 Höhenmetern echt zu kämpfen. Dumm, dass es mit Zwischendurchabfahrt am Ende knapp 2000 Höhenmeter waren. Schön, dass es auch mit leeren Beinen geht, tut halt weh. Wenns nicht weh tut ist es zu einfach 🙂

Jetzt hab ich den erstbesten Campingplatz angesteuert. In Heiligenblut. Ich war leer, mir war leicht kalt (trotz fetter Daunenjacke), Erschöpfung eben.

Nach der heißen Dusche ist die Welt aber schon wieder in Ordnung. Jetzt noch den Bauch vollhauen und ab in den Schlafsack.

Das war ein geiler Tag, ich freu mich auf die kommenden Tage, auch wenn die wahrscheinlich nicht so spektakulär werde. Dafür ist Regen angesagt. Das hat doch auch was 😉

Habe fertig. Fix und.


Tag 2

Die Beine haben sich über Nacht einigermassen erholt, trotzdem stand der Tag im Zeichen der Schonung, der Kalorienzufuhr, des Genusses. Mehr oder weniger Ruhetag.

Schön das Mölltal runterrollen, später noch ein wenig Drautal. Ein paar bissige kurze Anstiege waren auch dabei. Ist halt nicht Holland.

Viele Kindheitserinnerungen. Mit unseren Eltern waren wir Sommer wie Winter in Kärnten im Urlaub. Nicht die schlechteste Wahl 🙂 Ragga-Schlucht, Kreuzeck, Goldeck … lauter bekannte Punkte. Dazu der Dialekt, da fühl ich mich doch irgendwie zu Hause.

Etliche Regenschauer, teils gemeiner Gegenwind, tolle Natur, wunderschöne Wege.

Ich dachte, Samstag Abend finde ich in Spittal an der Drau sicher einen geöffneten Supermarkt. Denkste. Dafür hab ich die Ackerbox entdeckt. Das Paradies! Es gab alles, was mein Herz begehrt und falls ich nachher noch spontan Lust auf irgendwas bekomme, was ich nicht eingekauft hab hat das Teil 24/7 geöffnet.

Dazu noch 16°C am Abend im Vergleich zu 7°C gestern Abend in Heiligenblut. Die Tendenz stimmt 💕

Ihr könnt es Euch bestimmt denken, ich bin glücklich. Das geht nämlich ganz einfach 🙂


Tag 3

Los ging der Tag mit Frühstück an einem überdachten Tisch. Welch Luxus 🙂 Vor allem gestern Abend war das ein Genuss, da hat es nämlich noch geregnet.

Erst mal gemütlich die Drau runterrollen bis Villach. Sonne. Wärme. Okay, wollte ich jammern würde ich wegen Gegenwind jammern. Will ich aber nicht.

Nach dem Mittagessen ging es dann zur Sache. Über den Wurzenpass nach Slowenien. Auch den bin ich 1983 schon mal gefahren/geschoben. Ich hatte in Erinnerung, dass er kurz ist und ein relativ kurzes extrem steiles Stück drin hat.

Heute weiss ich, dass er zwar kurz aber der grösste Teil sehr sehr steil ist. Radwandern war angesagt. Wandern wollte ich ja sowieso. Unheimlich viel Gegenverkehr, es roch nach Gummi, Kupplung, heissen Bremsen. Ansonsten ist der Wurzenpass sehr unspektakulär, keine tollen Ausblicke. Einfach nur ein kurzer praktischer Übergang nach Slowenien.

An dieser Stelle möchte ich auch mal erwähnen, daß alle, aber auch wirklich alle Autofahrer bisher sehr rücksichtsvoll waren, auch die Ferrari-Fahrer am Großglockner. Auch heute am Wurzenpass sind sie an kritischen Stellen mit 4 km/h hinter mir hergezuckelt und haben teils noch freundlich gewunken. Die Welt ist manchmal besser als sie beim Lesen von allem möglichen erscheint 😊

Jetzt bin ich also in Slowenien, schöne Berge sind zu sehen, erster Eindruck … alles bisschen verratzter als in Kärnten. Das gefällt mir 🙂

Die Abfahrt nach Kranjska Gora war rasant, kurz und schmerzlos. Jetzt bin ich auf einem liebevoll gemachten Bio-Öko-Naturcamping gelandet. Er ist noch geschlossen, man darf aber campen. Es gibt kaltes Wasser, Toiletten usw. … alles kostenlos, der Schwabe sagt … passt … und duscht kalt oder gar nicht 😉

Wärmer ist es geworden. Kurze Hose, T-Shirt. Zwei oder drei Regenschauer, da will ich nicht meckern.

Morgen ist Montag, da muss ich arbeiten. Ich werde mich den Vrsic-Pass hocharbeiten, bin sehr gespannt.


Tag 4

Der Vrsic-Pass stand heute an. Nicht mehr und nicht weniger. Eine kurze Etappe, da konnte ich morgens erst mal gepflegt rumtrödeln.

Kaffee auf dem Campingplatz und nach 2 Kilometern Supermarkt-Frühstück in Kranjska-Gora. Das ist ein richtig hübsches Städtchen vor einer tollen Bergkulisse. Hier könnte ich auch zwei oder drei Tage lang rumgammeln und den ganzen Tag frühstücken, okay, vielleicht zwischendurch Mittagessen 🙂

Der Pass glänzt mit Fahrbarkeit. Immer wieder steil aber machbar. Dazu wunderschön aber sehr gefährlich. Nach fast jeder Kehre fällst Du vor lauter „oooohhhh“, „wow“, „herrlich“ fast vom Rad. Ich jedenfalls. Recht wenig Verkehr. Ca. 25 Kehren hoch und eine der schönsten Abfahrten über ca. 25 Kehren runter.

Auf der Hälfte des Anstiegs ein Restaurant. Daran und an dem Hirschgulasch bin ich nicht vorbeigekommen. Genuss-Kalorien. Da steh ich drauf. Ist ja nichts neues. Ich hab mal gelesen, das Rad sei dazu da um von essen zu essen zu fahren. Da ist was dran! 💕

Die Abfahrt führte mich ins weltberühmte Soca-Tal. Ja, das ist so wunderbar wie erträumt. Ein leichtes Gewitter hat mich gestreift. Fette Regentropfen bei Sonnenschein. Herrlich erfrischend.

Der vorab ausgekuckte Campingplatz erweist sich als sehr sehr schnuckelig. Überdachte Aussenküche, Super gepflegte Badezimmer mit Dusche, WC und Waschbecken, Hübscher als bei mir zu Hause 😉 Da flutscht der Hirsch oder das Zeug von gestern. Wahrscheinlich wollt ihr das nicht so genau wissen 🙂

Die Beine sind nach den eher gemütlichen Etappen immer noch nicht so richtig fit. Wahrscheinlich bleib ich morgen hier und geh ein bisschen wandern, lass die Seele baumeln. Als nächstes steht nämlich der Mangart-Sattel an, eine (für meine Verhältnisse) richtig lange Bergetappe. Da hab ich Stand heute morgen keinen Bock drauf.

Tschuldigung, dass es jeden Tag so toll ist, ich kann fast nichts dafür 😉


Tag 5

Nach dem Frühstück und Schwätzle hier, Schwätzle da war Wäsche waschen dran. 90% Regenwahrscheinlichkeit. Ich nehm die 10%, ich Glückspilz. Oder Optimist. Ab auf die Wäscheleine mit dem nassen Zeug.

Kleine Wanderung. Beine schonen. Das kleine Städtchen Bovec ist 15 km weit weg. Mist, da will ich hin. Ausgeschont.

Das Soca-Tal ist phantastisch, vor allem bei Sonne. Viele kleine Details. Kajakfahrer, die sichtlich Spaß hatten. Mal rauschte die Soca links und rechts zwitscherten die Vögel, mal umgekehrt.

Es grollte um mich rum. 1 km vor Bovec der erste Schauer. Regenjacke angezogen, zum Regenhose anziehen war ich zu faul. Nass bis auf die Unterhose nach 5 Minuten. Clever.

Die Klamotten auf der Leine. Genauso clever.

In Bovec trägt der eine sein Motorrad in den ersten Stock, der andere mauert seine Garage zu, damit das Auto nicht geklaut wird. Hoffentlich steht mein Fahrrad nachher noch da. Ich nehms vorweg, es stand noch da.

Einkaufen, Essen, Heimweg. Ich wollte vielleicht den Bus nehmen. Schonung, ihr wisst schon …

Es gewitterte die ganze Zeit, mal mehr, mal weniger Regen. Lieber durch den Regen wandern als bei Regen dumm am Campingplatz rumsitzen.

Der Rückweg war trüb, die Soca hatte ihren Glanz verloren. Trotzdem coole Stimmungen. Kurz vor der Dunkelheit war ich zurück, erst mal am trockenen Tisch Platz genommen, mit zwei Holländern gequatscht und Tee getrunken, Dusche. Fertig.

Morgen soll es viel regnen, da macht der Mangartsattel keinen Sinn. Vielleicht mach ich wirklich Ruhetag. Oder ich roll das Soca-Tal runter. Oder oder.

Wollt ihr weitere clevere Insider-Tipps? Dann lest auch morgen wieder Tagebuch 🙂