Tag 11

Der Faulpelz und der Stresser in mir sind gute Freunde geworden 🙂

Faulpelz … „mach Du heute Programm“
Stresser … „kann mich nicht entscheiden, so viele Berge um uns rum“
Faulpelz … „okay, lass uns um den See spazieren, ist bestimmt schön“
Stresser … „gut, eine Runde ins kalte Wasser muss aber drin sein“
Faulpelz … „Deal“

Was soll ich sagen … um den See zu spazieren klingt jetzt nicht nach Highlight. Es muss aber auch nicht jeder Tag mit Highlights gespickt sein.

Ich bin gerade in einem Rhythmus der mir gut gefällt. Keine Höchstleistungen. Bewegen. Genießen. Staunen. Freuen.

Die Seerunde war klasse 💕 Ein schöner Wanderweg am Nordufer entlang. Mal wieder türkisfarbiges Wasser, Blumen ohne Ende und schöne Blicke in die Berge.

Der Rückweg am Südufer verläuft direkt neben der Straße, die ich gestern geradelt bin. Ohne mich!

Ich tauche etwas abseits in den Wald ein. Da ist sie wieder. Die Stille, die ich so sehr mag. In den eineinhalb Stunden im Wald hab ich keinen Menschen getroffen, wo hier am See doch ansonsten recht viel los ist.

Ach ja, das Wasser war saukalt, die Schwimmeinlage dementsprechend kurz 😉 Kurz war auch der Tag. Frühstücken, kleine Wanderung mit verweilen hier, verweilen da, Mittagessen und schon ist er fast rum. Der Tag.

Ljubljana liegt in Reichweite. Ca. 100 Fahrradkilometer. Auf dem Weg dorthin läge der Bleder See. Hier lesen ja inzwischen einige Slowenien-Checker mit. Sollte ich Ljubljana mal gesehen haben wenn ich eh schon in der Nähe bin?!?


Tag 12

Früh aufgewacht. Der See in neuem Licht 🙂

Zeug gepackt, kleines Frühstück, ab Richtung Ljubljana.

Ich hatte wenig Erwartungen an die Strecke. Erstmal nach Bled. Teils wunderschöne Radwege aber auch mal ätzend 12 km auf einer recht viel befahrenen Straße. Bisschen auf und ab, mehr ab.

Durch Bled bin ich einfach schnell durchgefahren. Zwei drei Fotos und tschüss. Da komm ich wahrscheinlich nochmal vorbei. Heute hat es mich nicht gereizt.

Danach führte mich meine Route leicht abseits der Hauptradrouten. Klitzekleine Sträßchen, die wahrscheinlich noch nie einen Touristen gesehen haben. Kleine Weiler, hier ist die Zeit stehengeblieben. Ein paar richtig fiese steile kurze Anstiege, mal 50 Höhenmeter, mal 150. Nichts, mit dem ich angeben könnte. Alles wieder unglaublich idyllisch, kitschig, abwechslungsreich, wunderschön. Mir fehlen die Worte. Damit hatte ich heute nicht gerechnet

18 Uhr. Hungerast. Ich hatte heute wenig gegessen. Ich war auf einem zähen Stück. Lange gerade Strassen mit ordentlich Gegenwind. Stop an einer Bar. Die hatten nur Toast. Mit Schinken und Käse. Egal, ich hab Bärenhunger. „Two Toasts?“ … „No, four please 😉

Die letzten 20 km gingen danach gut. Teils durch hässliche Ljubljana-Randbezirke, teils interessante Architektur, teils neben der Autobahn, teils durch hübsche Grünanlagen. Nicht alles schön, sagen wir mal, eher potthässlich aber total kurzweilig 🙂

Den ersten Campingplatz hab ich ignoriert, die Infos haben mir gar nicht gefallen. Gute Idee. Der Platz 5 km weiter hat mich sofort überzeugt. Fast nicht zu finden, wenn man aber mal da ist ist sofort klar, dass sich die Suche gelohnt hat 💕 Total einfach, grün gelegen, supersympathischer Betreiber. Wir haben erst mal eine gute Stunde lang geschwätzt. Über Gott und die Welt. Ich musste mich losreissen um das Zelt noch im Hellen aufzubauen.

Ich bin sehr gespannt auf morgen, unterwegs wurde mir auch von ein paar Slowenen bzw. Sloweninnen Ljubljana unglaublich schmackhaft gemacht. Allein der Weg hierher war schon einen Besuch wert.


Tag 13

Ich steh irgendwann auf, es regnet. Wäsche waschen, einer jungen Britin beim packen Ihres Rads zuschauen, sie ist auf dem Weg nach Griechenland, Hut ab! Bisschen nicht unbedingt erfolderliche Remote-Arbeit weil zufriedene Kunden die besten Kunden sind.

Mittags hört es auf zu regnen. Ich mach mich auf den Weg in die Stadt. Ljubljana. Fast ohne Gepäck. Zwei drei Kilo Basics bleiben dran damit ich nicht abhebe. Mann, fährt sich das leicht. Ein Hochgenuss 🙂

Es ist ein bisschen wie nach Stuttgart reinfahren. Nur flach und auf Radwegen. Das ist cool. In der erstbesten Gasse der Fussgängerzone ein Café, es ertönt Bob Marley, mich grinst ein dazu passender Typ an. Der Chef. Ich bleib hängen, auf zwei Cappuccino. Zwei Stunden lang. Beobachte Menschen. Gegenüber ein Laden, in dem eine Frau Regenschirme verkauft. Kein Mensch will einen Regenschirm kaufen. Als auch noch die Sonne rauskam machte sie den Laden zu.

Der Chef, Jayden aus Puerto Rico lässt Bob Marley rauf und runterlaufen. Ich hab die Schwingung in der ersten Sekunde aufgenommen. Wir gucken uns an und grinsen. Wir müssen kein Wort reden. Wir sind auf der selben Welle unterwegs. Wir reden trotzdem viele Worte, schliesslich möchte ich ja wissen, wo er herkommt usw.

Er könnte auch völlig authentisch im Cannabis-Laden ein paar Ecken weiter arbeiten 😉

Radfahrer und eScooter rollen durch die Fussgängerzone. Kein Problem. Mach das mal in Stuttgart auf der Königstrasse. Da wirst Du entweder verhaftet oder von irgendeinem Typen dümmst angemacht. Isch ja au verboddä in Schduagert. Warum klappt das hier? Wollen sich die Menschen weniger aufregen? Ich glaube schon.

Ich könnte den ganzen Tag cappuccinotrinkend sitzenbleiben. Die Burg wartet. Ich spazier erst mal kreuz und quer durch die nicht allzukleine Altstadt. Viele geschichtsträchtige Bauwerke, wunderschön angelegte Promenaden. Läden ohne China-Touri-Massenware. Klasse. Ich bin begeistert. Von einer Stadt.

Ich fasse mich mal kürzer, ihr wollt ja auch irgendwann ins Bett. Burgbesichtigung, toll. Museen für die mir die Zeit und Muße fehlte, Auf einer Treppe zu einer Aussichtsplattform eine japanische Reisegruppe vor mir. Stau. Oben eine Selfie-Orgie. Ich kann da zum Glück nicht mitmachen weil mein Gesicht meinen Ansprüchen an ein gutes Foto nicht genügt. Spaß.

Abendessen, zu guter Letzt auf dem Rückweg zum Campingplatz noch in ein Mega-Shopping-Center. Ich brauchte einen Optiker. Danach schnell wieder raus.

Zurück. Fertig. Ich danke allen, die mir geraten haben, Ljubljana zu besuchen 💕 Ich könnte noch einen Tag hier bleiben. Mal sehen wie ich das morgen früh sehe 😉


Tag 14

Ich wache vor dem Wecker auf. Die Entscheidung fällt sofort. Zusammenpacken, frühstücken, Abfahrt Richtung Bled.

12 km durch den Speckgürtel von Ljubljana. Wie gehabt, nicht immer schön. Heute wollte ich dem West-Loop folgen. Eine Mountainbikerunde durch Teile Sloweniens.

2000 Höhenmeter bis Bled. Das kann ja heiter werden. Es ging sofort zur Sache. Steilste Anstiege, Trails, ziemlich viel für mich nicht fahrbarer Anteil. Weder bergauf noch bergab. Ab und zu ein Stück spaßig fahrbarer Trail. Für 20 km brauchte ich unterm Strich 4 Stunden. Da waren nur 500 Höhenmeter drin. Aber was für welche.

Zwischenziel Skofja Loka. Ich brauchte dringend ein Restaurant mit Dönerersatzgenussmitteln. Schliesslich ist heute Donnerstag. Mein Körper schrie nach Kalorien. Gefunden. Leckerer Njamburger usw. Das volle Programm. Ich war fertig, mir waren mehrfach die Oberschenkel geplatzt.

Umplanung. Bis Bled schaffe ich es heute nimmer. Weg vom West-Loop. Bis zum nächsten Campingplatz 34 km mit 900 Höhenmetern. Au Weia. Nix Bob Marley. Eher Blood Sweat & Tears, spinning wheel.

Erst mal 12 km sanft ein Flusstal hoch auf einer ätzenden Straße. Nach 10 km seh ich rechts am Hang eine Holzlagerhütte. Ich schau sie mir an. Ein perfekter Platz für die Nacht. Ich hab keinen Bock mehr. Mich jagt ja niemand.

18 Uhr … was mach ich hier bis es dunkel wird? Die Strasse ist laut. Der Schweiss klebt. Ich hab Bock auf eine heisse Dusche. Bin unentspannt. Kann in dem Zustand den Moment und diesen wunderbaren Schlafplatz nicht genießen. Kann mich mit der schlechten Laune nicht anfreunden. Soll nicht ansatzweise erfüllt. Eigentlich Quatsch aber ich komm da nicht raus.

Die Beine sind noch oder wieder okay. Es ist der Kopf, der streikt.

Reset. Abends lauf ich doch gern zu Hochform auf. Zwei bis drei Stunden noch, ganz entspannt. Weiter gings. Nach den restlichen 2 km ätzender Strasse rechts ab, eins dieser Ministrässchen mit 10 bis 15% Steigung, ohne Verkehr. Ich komm in einen Rhythmus. Es läuft wieder. Langsam eben. Es ist wunderschön.

Kirchen, Blumen, Berge, den ganzen Tag schon. Ohne Ende. Wunderbar. Am Schluss wieder eine der geilsten Abfahrten mit unzähligen Serpentinen. Da ist es wieder. Das Grinsen. Im Herz und im Gesicht. Überall. Es geht so einfach und doch manchmal so schwer 💕

Da ist er, der Campingplatz. Da ist sie, die Zufriedenheit. Hart erkämpft. Trotzdem auch genossen. Ende gut, alles gut 😃


Tag 15

Gestern brannte ein Lagerfeuer, bis tief in die Nacht rein sassen ein paar Gäste dort rum, z.B. Rafael, ein brasilianischer Weltenbummler, der den Sommer in Slowenien verbringen möchte. Viele Geschichten. Es wurde spät 😴

Ich war wieder vor dem Wecker wach, bin früh aufgestanden. Plan machen fiel mir schwer. Frühstück, Kaffee, Plan A, B, C …

Ich rasiere mich. Das erste mal seit über zwei Wochen. Das dauert ewig. Mich schaut ein Typ aus dem Spiegel an. Der kommt mir bekannt vor 🙂 Das Experiment weisser Bart ist irgendwie gescheitert.

Zweites kleines Frühstück in der Chillzone. Die ganzen Eindrücke der letzten Tage müssen sacken. Ich brauch heute Auszeit. Plan A gestrichen, Plan B gestrichen, Plan C gestrichen. Ich werde 12 km an den Bleder See radeln und der Ecke eine Chance geben.

12 km, da kann man zwischendurch schon mal auf eine hausgemachte Limonade bei tollem Ambiente hängen bleiben. Oder zwei.

Herrliches Wetter, es ist richtig warm, die Sonne scheint. Vom Himmel und aus dem Herzen 💕

Ich bin früh am Campingplatz. Werde von einem beunruhigenden Schild empfangen, der Campingplatz sei ausgebucht. Wo ich mich doch gerade mit dem See angefreundet hatte. Fragen kostet nichts. Für Radfahrer gibt es auf der Zeltwiese noch Platz.

Ich rolle gefühlt einen Kilometer bis zur Zeltwiese, frage mich, ob es wohl Radschnellwege zur Toilette gibt. Baue mein Zelt auf, setz mich in den Schatten. Es ist recht leer auf der Zeltwiese.

Nach und nach trudeln Radreisende ein. Mal wieder interessant, deren Routinen zu beobachten. Viel will ich dabei gar nicht lernen, meine Routine passt für mich.

Ab an den See, schwimmen. Hier schwimmen viele. Das Wasser ist recht angenehm. Ich schätze, 5 Grad wärmer als im letzten See. Ein Gewitter zieht auf, Es leert sich. Zeit für einen Cappuccino unter einem grossen Schirm mit Seeblick 🙂

Ab ins Zelt, später Mittagsschlaf. Jetzt hab ich mich in Schale geworfen. Frisch gewaschene kurze Hose, frisch gewaschenes Merino-Shirt, frisch gewaschene Socken, frisch gewaschenes OMM-Shirt. Damit werde ich mich ins Nachtleben stürzen. In Bled auf der anderen Seite des Sees 😉

Nicht viel passiert heute und doch war das ein guter Tag. Fertig.