Tag 6
In gut 20 Jahren komm ich wahrscheinlich in das Alter, wo ich nimmer aus dem Vollen schöpfen kann. Darauf möchte ich vorbereitet sein. Ruhetage muss ich üben. Gestern hab ich kläglich versagt.
Heute der nächste Versuch. Ein voller Erfolg
Tolle Gesellschaft beim Frühstück. Hier treiben sich klasse Menschen mit interessanten Geschichten rum, Weltenbummler, Studenten, Abenteurer. Schöner Austausch. Da blieb ich doch gern noch einen Tag
Mittags kam die Sonne raus, Zeit für einen Spaziergang die Soca hoch. Hab ich schon geschrieben, dass das hier eine phantastische Gegend ist? Kristallklares Wasser, an allen Ecken und Enden blüht und grünt es.
Ein Stündchen Mittagsschlaf am Fluss, Abendessen mit ein paar coolen Reisenden in einem einfachen schnuckeligen Bauernhof-Restaurant. Zur Auswahl standen zwei Gerichte (Mittwoch ist Ruhetag, die handhaben Ruhetage glücklicherweise ähnlich wie ich), Gulasch und Gulasch vegetarisch, beides mit Polenta. Sehr übersichtlich und für jeden was dabei Lecker, reichlich und günstig, da lacht das Herz.
Morgen kauf ich vor der Abfahrt noch selbstgemachten Schafskäse. Ich bin mal wieder im Paradies gelandet.
Vom Mangart-Sattel hab ich mich gedanklich verabschiedet, Soca-Tal, Wasserfälle, Koberit und eine angeblich sensationelle Schlucht rufen. Den Rufen werde ich folgen.
Ich freu mich drauf!
Tag 7
Wenn man eine Weile nimmer radgefahren ist sollte man es langsam angehen lassen. Dann mach ich das halt mal.
Beim Frühstück hab ich mich mal wieder verquatscht, so ging es erst um 11 Uhr los. Sommerliche Temperaturen und Sonnenschein
Nach ein paar Kilometern erst mal einen Cappuccino, der Frühstückskaffee war ja schon rausgepinkelt. Oder rausgeschwitzt. Kurz vor Bovec zweigt die Strasse Richtung Mangartsattel ab. Es tobten innere Kämpfe. Zum Glück war es schon so spät und ich fuhr weiter das Soca-Tal runter.
Zwischendurch zwei kleine Wanderungen zu zwei Wasserfällen und verspäteter Mittagsschlaf
Nachmittags gab es slowenischen Döner Italiano in Kobarid, schliesslich ist heute Donnerstag Weiter nach Tolmin und noch ein Stückchen weiter zum heutigen Campingplatz.
Die Landschaft ist sanfter geworden, ab und zu nochmal ein Blick auf schroffe, schneebedeckte Berge, ansonsten erinnert mich das ans Allgäu. Schnuckelige Dörfer, Kirchen, Kühe. Und wieder Blumen, wo man auch hinschaut.
Hier ist gar nichts los, ausser mir ein Pärchen und zwei junge Damen. Da werde ich für die heisse Dusche nicht Schlange stehen müssen.
Tolmin scheint ein hübsches Städtchen zu sein, das werde ich mir morgen mal genauer anschauen, so wie die Schlucht, auf die bin ich sehr gespannt.
Tag 8
Slowenien animiert zur Lotterlebensführung. Da bin ich doch gern dabei
Nach dem Schafskäse-Frühstück (leckerleckereramleckersten) war wieder Wäsche dran. Wieder war Regen vorhergesagt. Rein statistisch gesehen steigt die Chance bei jedem Wäscheleinenfehlversuch, mal die 10% Regenunwahrscheinlichkeit zu erwischen. Daher landete die Wäsche wieder auf der Leine
Los zur Tolmin-Schlucht. Oder auch Tolminska Korita. Da zahlt man Eintritt. Junger Mann an der Kasse …
„One ticket please“
„normal one?“
„no, crazy one … okay … what kind of unnormal tickets do you have?“
„senior“
„*räusper … how old should I be to get a senior-ticket?“
„when you don’t work anymore you are a senior“
„fine, I didn’t work at all the last 8 days“
„great! Here’s your senior-ticket „
Nichtsenioren hinter mir schmunzelten. Ich schmunzelte. Das kann ja lustig werden in den nächsten Jahren
Die Schlucht ist wunderschön. Als Türkis-Fan kam ich mal wieder voll auf meine Kosten. Prädikat höchst empfehlenswert
Immer noch Sonne, es sollte schon längst regnen …
Bisschen das Städtchen Tolmin angeschaut. Nett, ich stelle aber wieder mal fest, dass mich Städtchen nicht so sehr interessieren. Gut. Ab und zu ein Restaurant oder ein Laden, am liebsten kleine Läden mit selbsthergestellten Leckereien.
Beim Essen bestellen dachte ich, hoffentlich kommt so schnell niemand auf die Idee, mir Seniorenteller servieren zu wollen. Die heutige Portion war aber wieder weit davon entfernt
5 Minuten, bevor ich zurück am Campingplatz war fing es an zu regnen. Die Wäsche konnte ich fast trocken retten. Geht doch!
Auch dieser Campingplatz hat was. Total einfach aber wieder mit überdachter Aussenküche. Heute morgen kamen die Besitzer vorbei, total entspanntes Vater/Sohn-Gespann. Die bereiten sich und den Campingplatz langsam auf die Saison vor.
Ich muss mich auf die nächsten Tage vorbereiten. Bis jetzt hab ich keinen Plan. Das werde ich heute Abend ändern. Morgen gehts auf jeden Fall irgendwohin weiter.
Ich kann mir gut vorstellen, dass das klasse werden wird
Tag 9
Ich hab beschlossen, in der Triglav-Gegend zu bleiben, bei dem Rumgetrödle werde ich nicht ganz Slowenien kennenlernen können Das funktioniert in 3 oder 4 Wochen so oder so nicht.
So ging es wehmütig weg von der Soca das Baca-Tal hinauf. Zuerst auf einer grösseren Strasse mit recht viel Verkehr. Pfingstwochenende, es füllt sich. Dann aber ein hübsches kleines Strässchen parallel zur Bahnlinie, die am Ende durch einen Tunnel nach Bohinj führt. Der See dort ist mein Ziel. Fahrrad in den Zug und ab durch den Tunnel wurde mir geraten.
Mein Tunnelbike hab ich zu Hause gelassen und mich bewusst für das Mountainbike entschieden. Daher geht es natürlich über den Berg. Nach 100 Höhenmetern lachte mich mal wieder ein Restaurant an. Es war schon spät weil ich den ganzen Vormittag vertrödelt hatte.
15:30 Uhr Mittagessen, gutes Timing, da kann ich doch mal nebenher das Bundesliga-Finale verfolgen. Okay. Erste Halbzeit hat mir gereicht. Das muss ich mir nicht geben. Da jag ich meinen Puls lieber auf den restlichen 800 Höhenmetern in die Höhe
Durchschnittlich 10% Steigung. Die Beine waren topfit. Die ruhigen Tage haben ihnen gut getan. Oben auf dem Pass ein Campingplatz. Cool. Hier bleib ich. Auch ohne Seniorenrabatt.
Morgen gibts wahrscheinlich einen Wandertag, von hier aus bietet sich der ein oder andere Gipfel an. Nicht mehr an der Soca zu sein ist gar nicht so schlimm, die Berge hier gefallen mir saugut
Tag 10
Der Campingplatz hat mich nicht so arg überzeugt. Ein Stück Wiese zwischen Hotel und Wald. Egal, auch auf einem Stück Wiese zwischen Hotel und Wald schlafe ich hervorragend.
Mir wurde gestern das Hotel-Frühstück ans Herz gelegt. Da sag ich nicht nein. Hammer! Rührei, Spiegelei, gebratener Speck, Würstchen, Brot, slowenische Wurst, Käse, Honig, selbstgemachte Marmelade, Müslivariationen, Joghurt, Obst. Gebratenes Gemüse, Knödel und noch viel mehr … dazu eine Koffein-Flatrate + Saft-Flatrate Wenn jetzt jemand denkt, besser gehts nicht komm ich mit einem Verbesserungsvorschlag ums Eck. Ich würde gern wandern gehen und danach weiterfrühstücken
Okay, Bauch voll, Rucksack bleibt leer. Eine moderate Bergwanderung steht an. Sooooooo schöööööön Der Sessellift ist noch nicht in die Sommersaison gestartet, dadurch war oben fast nichts los.
Eine Tour von Gipfelchen über Gipfelchen und noch ein Gipfelchen auf ein Gipfelchen. Panorama Panorama Panorama. Blumen Blumen Blumen. Tolle Jahreszeit!
Zwei, drei schlecht gelaunte Frauen, die ihren Männern hinterherstapfen. Erinnerungen. Mit meiner Exfrau war das anders. Sie war topfit, sie war immer sehr glücklich, wenn sie mich den Berg hoch abgehängt hat. Ich war glücklich weil sie glücklich war. Da das Leben nicht nur aus IchHängDenHolleDenBergHochAb-Glück besteht bin ich heute allein unterwegs. Glücklich bin ich trotzdem, halt anders
Ich schweife ab … Zeit für Cappuccino und eine slowenische Süssspeisenspezialität, die mir die Bedienung aufgedrängt, nein, wärmstens empfohlen hat. Noch mehr Glücklichkeit
800 Höhenmeter Abfahrt standen an. Steil, kurvig, geil. Defensiv mit Dauergrinsen im Gesicht runtergeheizt. WOW WOW WOW
Im Tal wieder klares Wasser, unendlich viele unendlich grosse Wildblumenfelder, idyllische Dörfchen, Blick auf die Berge aus dem Erdgeschoss … 10 km einen Fluß hoch zum Bohinj-See. Kulturschock, da ist es zuuuuu schön, da ist die Hölle los.
Der Campingplatz ist am anderen Ende des Sees, da ist es ruhiger, nur nicht auf dem Campingplatz selbst. In der Saison möchte ich definitiv nicht hier sein.
Jetzt passt es aber. Hier hab ich wahrscheinlich viele Möglichkeiten. Heute Abend wird ein Plan für morgen geschmiedet. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der allzu übel werden wird
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